Ein Traum

Wir balancieren, laufen, springen etwa zwei Meter über dem Boden. Fühlen die metallenen Stangen, ledernen Turnkastenaufsätze und hölzernen Schränke an unseren Zehen und Fußballen. Mal hintereinander, mal habe ich dich Huckepack. Ein Tanz. Ein Duett. Du hast Spaß am Parcours. Wir genießen die stickige Turnhallen-Luft.

Bald wird deutlich, dass es eine Runde ist, die wir laufen und an den Seiten stehen alte und junge Menschen. Sie freuen sich mit uns unseres Spaßes.
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Wir setzen uns angenehm erschöpft neben einen sympathischen älteren Mann auf den Boden. Er spricht uns an, will uns dreien ein Geschenk machen. — Halt! Dreien…? Wer ist das? Noch ein weibliches Wesen? Ich achte auf deine Reaktion und die Reaktion der Menschen in der Umgebung. Für euch ist es selbstverständlich… Dann wird das schon seine Richtigkeit haben.— Jedem will er ein kleines Geschenk machen. Du bekommst eine kunstvoll verzierte, wunderschöne bronzene Münze.

Sie, die angeblich immer da war, erhält eine silberne Münze mit einem schnörkellosem eingeprägten Symbol. Mir gibt der ältere Herr einen kleinen Miniaturengel aus Holz.
Ich sehe die beiden jungen Frauen an, wie sie mir gegenübersitzen. Bei dir weiß ich: Du könntest ein Model sein. Schön, nicht zu groß… für ein Model wohl zu klein, aber hoch gewachsen, dabei nicht zu grazil. Andere Frauen sehnen sich ihr Leben lang danach, aber dein Körper malt in seiner jugendlichen Leichtigkeit das begehrte Zeitglas mühelos nach. In einem Moment der Stille meint man dann fast, das Rasseln des Sandes zu hören, wie er langsam entlang deiner Taille rieselt. Langsam, leise, aber unaufhaltsam rieselt.

Zur zweiten Weiblichkeit habe ich mir noch kein Bild gemacht. Wie ihr so dasitzt, kann ich nicht sagen, wer von euch beiden größer ist. Vermutlich ist sie kleiner als du, trotzdem wohl nicht klein. Vielleicht kann man euch auch einfach nicht vergleichen. Du strahlst, sie vibriert. Was sie umgibt wirkt anders. Zeitloser? Tiefer? Ruhiger? Ich sehe sie weiter an. Was ist das? Sie weiß, dass sie mich fasziniert. Sie weiß auch, dass ich weiß, dass sie das weiß. Das gefällt uns. Sie spürt, dass ich sie mit meinem Blick fixiere, sieht mich trotzdem nicht an, gibt mir aber mit ihrem intensiver werdenden Blick zu verstehen, dass ich nicht aufhören soll.
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Zu dritt wandern wir durch eine bevölkerte, längliche Höhle, an den Seiten stehen einige, zumeist leere, alte Schränke. Hin und wieder sind einzelne Mäntel in ihnen zu erkennen. Die Mäntel lächeln uns wissend an. Ruhig, aber voller Vorfreude. Wie eine erfahrene Winterjacke, die zwar gegen Ende des Sommers beginnt, Staub zu fangen, aber weiß: Bald ist es wieder so weit.

Von uns durch den Wall aus Schränken getrennt, sprechen einige Menschen in der Lautstärke eines sittsamen Tischgesprächs miteinander. Von Zeit zu Zeit wehen unverfängliche Gesprächsfetzen zu uns. Wir verstehen uns gut. Es riecht angenehm, leicht muffig. Kein Ort, an dem man immer sein wollen würde, aber für die kurze Zeit genießt man die Sinnlichkeit des Holzgeruches der Schränke, das Kitzeln in der Nase vom Staub der abgetragenen Mäntel. Wir gehen weiter. Gemütlich durch die Höhle, wie Studenten, die nach der Vorlesung aus der Universität eigentlich zu nichts bestimmten gehen und doch in stiller Übereinkunft gemeinsam an ein Ziel gelangen. Unser Ziel: Eine nette ältere Dame und Gebrauchtwarenhändlerin, die uns sagen kann, was die einzelnen Gegenstände wert sind. Nicht, weil wir unsere Geschenke verkaufen wollen würden, nicht, weil wir den Wert vergleichen würden, sondern weil es doch auch nett zu wissen wäre.
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Wir sind in ihrem Laden. Die Dame beginnt mit mir. Sie sagt mir, zu welchem Preis sie mir das kleine Holzengelchen abkaufen könnte: 13,46€. Ich freue mich. Das ist nicht viel. Ich weiß, jede der beiden Münzen der anderen werden mehr wert sein. Mir war es nicht wichtig, dass mein Geschenk teuer ist. Es bleibt wertvoll für mich. Ich bin glücklich damit. Deswegen sogar noch glücklicher. Jetzt kommen wir zu den beiden Münzen. Aber ich weiß: Silber ist immer mehr wert als Bronze, egal, wie schön die Verzierungen der Münze sind. …
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