Hat jeder Mensch ein gewisses Level an Lebenszufriedenheit, um das er sich im Laufe seines Lebens bewegt? Führen größere Ereignisse im Leben dann dazu, dass man sich mal ein wenig darüber, mal ein wenig darunter befindet, sich dann aber wieder auf diesem Level einpendelt? Diese Fragen haben sich die Forscher gestellt.

Aber erstmal: Glücklichsein?

Was bedeutet Glücklichsein in der Forschung? Dort setzt sich Glücklichsein, oftmals daraus zusammen, wie und wie oft es einem gut (Well-Being) oder schlecht (Ill-Being) geht. Well-Being und Ill-Being ihrerseits setzen sich wiederum häufig aus zwei Dimensionen zusammen. Will man sich seine persönlichen Well- (+) und Ill-Being-Scores (-) zumindest näherungsweise überlegen, könnte man sich diese vier Fragen stellen und sich jeweils auf einer Skala von 1–10 einen Wert zuschreiben:

+ (1) Wie oft findest du dich in positiven Gefühlslagen wieder?

+ (2) Wie zufrieden bist du mit deinem Leben als Ganzes?

– (3) Wie stark bedrücken dich konkrete Herausforderungen der Zukunft?

– (4) Wie stark bedrückt dich eine diffuse Angst vor einer schlechten Zukunft?

In unserer Studie geht es um (2), also die Zufriedenheit mit dem Leben, wenig um (1) und wohl noch weniger um (3) und (4), obwohl diese Werte meist korrelieren. Um (2) zu untersuchen, hat man über 20 Jahre immer wieder die Lebenszufriedenheit der gleichen (und später weiterer) Menschen gemessen.

Was wurde herausgefunden?

Bei einem Großteil der Menschen hat sich bestätigt, was bisher vermutet worden war: das Glücklichsein schwankte um einen stabilen Wert. Doch bei gewissen Gruppen sah man einen ab- oder aufwärts gerichteten Trend, hin zu einem signifikanten Unterschied im subjektiven Glücksempfinden.

Es zeigt sich, dass besonders gesellige oder verletzliche Menschen am ehesten dazu neigen, dass sich ihr Glückslevel verändert und man als sehr aufgeschlossener Mensch, sowohl mehr positive als auch negative Erfahrungen macht. Dadurch erhöht sich die Frequenz, in der man um das Glückslevel herum schwankt.

Eine wichtige Annahme im Paper ist, dass die Persönlichkeit stabil bleibt. Viele Psychologen gehen davon aus, dass dies meistens der Fall ist. Dennoch ist das eine Annahme, die nicht unbedingt gegeben sein muss: Wenn du mit der Zeit signifikant mehr oder weniger aufgeschlossen, gesellig, verletzlich oder bspw. rücksichtsvoll wirst, dann wäre diese Annahme verletzt.

Wie glücklicher werden? (+Interpretation)

  1. Geselligere, weniger verletzliche und aufgeschlossenere Menschen verändern ihre Glückslevel tendenziell eher. Die größte Auswirkung hat die emotionale Stabilität, dann die Geselligkeit, etwas abgeschlagen dann, aufgeschlossen zu sein.
    → Wenn du deine Lebenszufriedenheit erhöhen willst, such und finde Menschen, mit denen du gerne zusammen bist, oder werde grundsätzlich geselliger. Vor allem: arbeite an deiner emotionale Stabilität.

(Dabei darf dich allerdings nicht stören, dass du damit die Annahme, auf der die Studie aufbaut (Stabilität der Persönlichkeit) zunichte machst und somit auch die Findings, auf denen du wiederum dein Handeln basierst. Du könntest allerdings argumentieren, dass für den Großteil der Menschen die Persönlichkeit stabil bleibt, während du daran arbeitest und sie somit verändern kannst. Dass das ein wenig vermessen ist, ist dir bewusst; was Aristoteles dazu sagt, ist unten verlinkt.)

2. Die Stabilität des Glückslevels nimmt graduell über das Leben hinweg ab.
→ Je älter es wird, desto wahrscheinlich ist es, dass sich etwas an deinem Glücklichsein verändert. Sowohl positiv als auch negativ. Je älter du wirst, desto wahrscheinlicher ist es, dass deine Arbeit an der Lebenszufriedenheit Früchte trägt.

3. Es ist schwieriger glücklicher zu werden als unglücklich. Etwa doppelt so viele Menschen werden unglücklicher, als glücklicher werden. Das ist erstmal eine bittere Einsicht der Studie. Das kann natürlich ganz andere Gründe gehabt haben. Sollte es aber eine bittere Tatsache des Lebens repräsentieren, dann kann es dir auch als Anlass dienen, sich das bewusst zu machen und dem entgegen zu wirken.

Hier bei uns musst du so schnell laufen wie du kannst, um an der gleichen Stelle zu bleiben. Und wenn du woanders hin willst, dann musst du mindestens doppelt so schnell sein. — Herzkönigin, Alice im Wunderland

4. Äußere Effekte (Life Events) können eine Auswirkung auf die durchschnittliche Lebenszufriedenheit haben. Allerdings ist das nur sehr selten der Fall. An einem Beispiel wird das schön deutlich: Viele Menschen heiraten, aber nur bei sehr wenigen hat das eine nachhaltige Auswirkung auf das Glücklichsein — sowohl positiv als auch negativ.
→ Sorg dafür, dass die Lebensereignisse, die du selbst in der Hand hast, deine Lebenszufriedenheit positiv beeinflussen; verlass dich aber nicht drauf, dass sie es tun.

Und jetzt: Glücklich sein! Los!

Marco (auf Facebook)
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P.S.: Was mit Geselligkeit, Aufgeschlossenheit und Verletzlichkeit/ Labilität als Persönlichkeitsmerkmale gemeint ist, findet ihr hier.
Für mehr Findings der Studie oder wenn ihr lieber selbst interpretieren wollt: lest die Studie.
Selbst bin ich zum ersten Mal in diesem Youtube-Vortrag auf die Studie aufmerksam geworden.
Zu guter Letzt: Aristoteles zur Arbeit am Charakter / der Persönlichkeit:

Aristoteles: Nikomachische Ethik — Part I