Von einer Bekanntschaft im ersten Augenblick.

Foto von Thong Vo auf Unsplash

Ты красивая [ty krasivaya]

That might be a little bit weird now… but… I saw you in the Metro… and… oh? Do you speak english? … Oh… ok… ehm… ты красивая. [ty krasivaya](“Du bist schön.”).


You are: A mess.

Hey Fremde,

du kennst mich¹ noch nicht, aber das ist ja auch gerade meine Chance. Deswegen versuche ich es jetzt — solange dich noch nichts täuschen kann.

Ich setze auf den Affekt, den Überraschungsmoment in dem sich Gegensätze anziehen: unverfälscht und unmittelbar, weil ich dir sonst — verwirrt wie ich bin — ein falsches Bild von mir male; weil du ohnehin, schon jetzt, wo der erste Augenblick beginnt zu verblassen, ein falsches Bild bekommst. So aber, direkt von der U-Bahn zum Altar, siehst du mich, wie ich… —  so siehst du mehr von mir als ich.

Kurz danach heißt es bereits:
“Hier bin ich. Hier ist mein Lebenslauf. Das sind meine Worte. Ich schein’ ganz gut zu sein, bin aber weniger, aber ich geb’s auch zu und: versuch’ mein Bestes. Auch das geb’ ich zu.” …

Weil du mich aber kurz auch an einem anderen Ort getroffen hast und da etwas anderes gesehen hast; und: wenn du mich, solange die Erinnerung noch frisch ist, trotzdem wollen kannst — nicht trotz der Erinnerung, sondern trotz des Sonnenscheins, der heute vor dir steht — ; wenn du mich also trotzdem willst und brauchst, dann: Hier. Da hast du mich. Geschenkt, weil du es bist.

Ein offener, ehrlicher Blick. Es ist nicht gelogen. 

Es scheint ganz klar zu sein: Du brauchst mich. Und ich: Ich brauch’ dich auch. … Du fühlst es… hast es gefühlt; du hast es, andere Teile von mir, erinnert — in diesem ersten Augenblick. Und… ja… vielleicht wird sie, diese Teile, nie jemand sehen. Nun: dann hast halt nur du sie gesehen. … Na, und? …

Ein ruhiges ‘Na, und?’, ohne Ausrufezeichen.

Mehr brauche ich nicht, aber das… das brauche ich. Ich brauche, dass du, obwohl du nur das gesehen hast, was heute vor dir steht, trotzdem mehr erinnert hast. Das werde ich dir nie vergessen…, dass du mehr erkannt hast — damals. Das werde ich immer wissen, hab’s immer gewusst und… hier hast du mich.

Das Herz weit ausgestreckt, vor sich hinhaltend: “Вот. Это твоё.” [Vot. Eto tvojo.] (“Hier. Es ist deines.”)

Nimm es. Du hast es doch gespürt. Es war doch so schön; so konnte es beginnen und Sinn entsteht im Wiederfinden. Und ich vermisse es, habe es lange vermisst und mittlerweile habe ich daraus gelernt.
Diesmal mache ich es einfach trotzdem, auch wenn es nur der Affekt, der Überraschungsmoment war; auch, wenn so viel dagegen sprach, habe ich doch einen Blick auf etwas Wahres werfen dürfen.
Diesmal, mache ich es einfach trotzdem. Denn das ist gerade die Chance. Und entschuldige, dass ich das jetzt alles schon wieder mit einem Lächeln auf den Lippen sage, aber… ja… jenes sieht ja auch niemand; du aber kannst es fühlen.

Hi… again… haha… do you remember me? Ehm… вы помните меня? [vy pomnite menya] (“Erinnern Sie sich an mich?”)

Gemeint ist “Erinnerst du dich an mich?” , aber hier und jetzt sollte ich die formellere Anrede wählen. Sonst wäre es jetzt zu “persönlich”… haha…, und jetzt frage ich dich, ob du dich an mich erinnerst… meine aber nur augenscheinlich dieses erste Treffen in der Metro; meine vielmehr, ob du nicht vielleicht mehr von mir erinnerst als ich.


Anmerkung:

Jede Leserin, jeder Leser darf hier aufhören zu lesen. Ich denke, es ist genug. Und schön. Ein schönes Mischmasch. Es folgt nur noch eine Fußnote, die nichts mehr an den eigentlichen Tatsachen ändert; nur noch erklärende — höchstens: psychologische — Funktion hat.


Foto von Marcus Cramer auf Unsplash

¹ I am: A mess.

Habe ich schon einmal erwähnt, dass ich dich hasse, mein Freund? Ich kenne dich so gut… — wie kein anderer — und kann es dir sagen: du bist unerträglich; viel zu intensiv, viel zu bedürftig. Und es wird immer schlimmer, während du lernst, es besser zu tarnen. Müsste ich nicht für immer bei dir bleiben, wären wir nicht im selben Körper gefangen, wär’ ich schon lange weg! Glaub’s mir.

Ja, ich würde dich zwar hin und wieder vermissen, aber alles in allem ginge es mir besser. Ich müsste dein andauerndes Auf und Ab nicht immerzu ertragen und beobachten.

Ich sag’ dir sogar, woran es liegt, mein Freund, weil du doch ohnehin nichts daran ändern kannst: Du kommst nicht aus deiner Haut. Du bist in ihr gefangen — wie jeder. Wie sollte also je jemand etwas anderes sehen als die Puppe. Du bist nur ein größenwahnsinniger Gedanke, gefangen in einem niedlichen asiatischen Mädchen — niemand nimmt dich ernst; nur der Kopf einer alten Frau gefangen in einem wunderschönen Prinz — und diesen Schein kannst du nicht so einfach wählen. Du bist dazu verdammt, ein falsches Bild zu zeichnen. So einfach ist das, mein Kleiner — widerwärtiger, harmloser Tropf.

Und mit jedem Tag wirst du einsamer. “Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, und er wird die Fülle haben; wer aber nicht hat, dem wird auch, was er hat, genommen werden.” Tja… mein Freund, so ist es… Nicht wahr, mein Freund? So ist es. Und du… du hast es nicht, hast es nie gehabt.

Deine einzige Hoffnung bleibt: ein Zufall, ein Fehler im System. Pah. Erbärmlich.


… So… und dieses Etwas, dich, willst du also jemanden antun. Soso… Du grausamer Trickster. Du spürst es doch selbst, nicht wahr? Du weißt es doch! Spürst es doch selbst, wie grausam es wäre. Und, wenn nicht, dann sag ich es dir: Es wäre grausam. Das ist auch etwas Wahres. Hah!

Und: So grausam bist du doch nicht! Nein nein, du nicht. Ich kenn’ dich doch. Du bist schwach. Weder kannst du es, noch tust du es. Bloß keine Fehler machen.


We are: A mess.

Ich? Ich schein’ ganz gut zu sein. Bin aber weniger. Aber: ich geb’s auch zu —  und: versuch’ mein Bestes. Und… ja deswegen… also:

Erinnerst du dich an mich? Ja?

Nun… Fehler? Fehler kann ich bieten. Noch immer nicht die üblichen, aber… ich habe auch daraus gelernt. Auch langsam gelernt, es trotzdem zu tun: ‘Ja’ zu dir zu sagen; auch, wenn es erstmal ein Fehler ist; sogar, wenn es manchmal ein grausamer Fehler an dir und an mir ist; auch, wenn es mehr Auf und Ab ist, als notwendig wäre; habe ich mit den Jahren erstmal gelernt, dass es nicht nur gibt, sondern auch nimmt; aber dass es gerade die Sachen sind, vor denen ich die Augen verschließe, aus denen ich aber ziehe, was mir fehlt, die es gibt.

Und so habe ich mit den Jahren gelernt, es trotzdem zu tun. Denn du hast vom ersten Augenblick an manches erkannt; jenes, das niemand sah. Hast noch mehr erkannt als du selbst verstehen konntest… oder… lass es mich so ausdrücken, weil es sich so gut in die russische Sprache übersetzten lässt:

Du hast es mal erkannt, kurz gewusst — ein wenig davon hast du mit mir geteilt und ich habe es dir nicht geglaubt — aber, fast im selben Augenblick noch, hattest du das meiste davon bereits wieder vergessen und jetzt ist die Frage, ob du dich wieder erinnern kannst; ob du dich jetzt nach und nach, Stück für Stück wieder daran erinnern kannst.

Вы вспоминаете меня [Vy vspominayete menya] “Kannst du dir mich wieder in Erinnerung rufen?”

Denn langsam begreife ich, dass ich mehr und mehr verstehen werde, dass du mal ein Stückchen mehr von mir gewusst hattest als ich. Und ich, weil ich nicht bereit war, den Fehler zu machen, mich auf dich einzulassen und nicht bereit war, so grausam zu sein, mich dir anzutun, habe mit jedem Jahr mehr bereut. Und: Mit der Zeit begreife ich immer mehr, was dieser Augenblick wert war.

Nun … Du siehst: Ich brauch’ dich. Und du mich. Von Letzterem kann ich dich nicht überzeugen. … Ein kurzes Schweigen. … Ja. Das ist so. … Noch ein Schweigen. …

Und, auch wenn es niemand sieht, dass wir uns brauchen, spüren wir es doch.

Что ты делаешь сегодня вечером? [chto ty delayesh’ segodnya vecherom] (“Was machst du heute Abend?”)