Keine Fabeln — Since 1994

Foto von Romina Farías auf Unsplash
Audioversion der keinen Fabel, des Anfangs, der einfach für sich stehen kann und sollte.

Weißt du? Ich würde das jetzt gerne anders anfangen. Schöner anfangen. An einem dunklen Ort würde ich es gerne anfangen. 

Gefangen in einer Mausefalle würde ich es gerne anfangen. 

Mit ganz viel Druck auf einem kleinen, starken Körper, würde ich es gerne anfangen; mit ganz viel Druck auf nicht nur meinem, sondern unserem kleinen, starken Körper, würde ich es gerne anfangen. Eine Maus, wie eine Kugel — auf der einen Seite du, auf der anderen Seite ich. 

“Eine Maus, wie eine Kugel — auf der einen Seite du, auf der anderen Seite ich.”… ja… so würde ich es gerne anfangen.

Am liebsten wäre sowas dann noch eine kleine Geschichte, die ich einst erfand, als ich als Kind, in der Hütte meiner Oma, eine kleine Maus, eingequetscht im Eisengestell der Mausefalle meines Großvaters, gefunden hatte; wie ich damals mit der Maus mitgefühlt hatte, wie ich mir einbildete, dass sie doch noch zuckte; wie ich zu meiner Oma rannte, um ihr zu sagen, dass man sowas doch nicht machen durfte; dass…. die kleine Maus…, wie ich zurück zur kleinen Maus rannte und… mich später in meinem Baumhaus versteckte und dort dann, unter Tränen, die kleine Geschichte schrieb. 

Eine kleine Geschichte, die ich dann heute wieder herauskramen würde, um so jetzt den passenden Einstieg zu haben: eine kleine Fabel, die etwas auszudrücken vermag, das selbstverständlich das weit übersteigt, was ich, der kleine Mensch, da einmal geschrieben und gemeint hatte. Und so wäre es dann gar kein Problem, sie einfach zu sagen. 

Eine kleine Fabel, in der sich die Kugelmaus zusammenrollt, die Falle sprengt und unaufhaltsam durch enge Wände rollt, durch Katzenbeine rollt. Mit so einer Geschichte möchte ich gerne anfangen. Sie müsste noch nicht einmal lang sein, es reichte mir doch schon, wenn sie ganz kurz wäre. 

Einen Blitzschlag und ein Ende, das aufrüttelt, bräuchte sie noch… schon bald, den Blitzschlag, die Katze noch in Sichtweite; einen Blitzschlag, der die beiden, so verschiedenen, kleinen Mäuse trennt; eine Blitzschlag, der Erinnerungen vergessen macht. Außerdem bräuchte sie noch Stimmen in kleinen Mäuseherzen, die leider weder ihren Mund noch ihre Ohren finden, … solch’ Dinge bräuchte sie noch. 

Nur die Katze, denke ich, die müsste noch nicht mal etwas sagen, um die beiden vollkommen auseinander und in ganz verschiedene Richtungen zu jagen. Nein, die Katze müsste nichts sagen, die würde brabbeln, beständig brabbeln, würde die Katze. 

Aber eine, mindestens eine Stimme bräuchte es schon in so eine Fabel, nicht? Doch… die bräuchte es und die gäbe es dort auch sicherlich, wenn da nicht die beständig brabbelnde Katze wäre, die die kleinen, ach so verschiedenen, Mäuse in ganz unterschiedliche Richtungen treiben würde. Wände überall Wände. “Wände… überall Wände.”, so würde sie vielleicht enden. Aber… nein… leider nicht… sie würde mit dem alles übertönenden Brabbeln der Katze enden. 


ENDE*


Audioversion des Rests.

*Ihr kennt das ja schon. Man darf hier aufhören. Und so. 
Denn der Rest ist jetzt ziemlich egal. 
Stattdessen lieber: Wer ist deine Katze? Und so.
Stundenlang den Kopf darüber zerbrechen. Und so.  
Besser nicht. 


(Der gänzlich optionale Soundtrack zum Ende der Fabel hin ist übrigens: “Dipole Experiment” von The Evpatoria Report. Zudem: Spotify-Link.) 


Aber… das kann ich nicht. Für so etwas reicht es nicht. Ich muss mit so etwas wie: “Es gibt wieder einige Dinge, die ich dich fragen will.” anfangen. Obwohl ich es doch nicht möchte, ich möchte nicht mit einer… haha ja genau… einerPerson, die rätselhaft bezaubert anfangen. 

Ich möchte nicht mit: “Ich würde so gerne wissen, wer du bist. Ich will wissen, wie du denkst, warum du so denkst; was du eigentlich denkst und was du wirklich von dir selbst hältst. Und wenn ich es weiß, ist das doch für uns beide am besten, nicht? Wüssten wir dann nicht beide endlich Bescheid?” … auch damit möchte ich nicht anfangen. So möchte ich garantiert nicht anfangen. 

Noch viel weniger will ich mit “Aber erstmal werde ich dir von mir erzählen, denn meine Fragen frustrieren uns nur beide.” anfangen. 

Nein, ich würde gerne mit meiner kleinen Fabel von dem starken Mausekörper anfangen; von unserer starken Maus, die da zwar eingequetscht liegt, aber doch weiß, dass sie stark ist. Damit würde ich gerne anfangen. 

Dann würde ich gerne, wie immer, damit weitermachen zu sagen, dass ich nicht weiß, was ich mit all den Anspielungen, die jetzt dann kommen, meine; dass man daher auch gar nicht viel rätseln muss, weil ich doch schon einfach keine Ahnung habe. So würde ich gerne weitermachen. Und, dass man doch bitte nicht zu enttäuscht sein soll, dass doch jetzt, wenn man dann einmal konkret wird, nur so kleingeistiges Gesocks kommt. 

Aber um solche Sätze zu rechtfertigen, ist es wohl zu wenig rätselhaft; vor allem geht es dafür eben viel zu sehr um mich. Es geht einfach wirklich beim besten Willen nicht um eine Fabel, in der eine starke Maus, in einer Mausefalle in einem dunklen Keller mit immer näherkommenden Wänden steckt, sich aus einer Mausefalle hervorkämpft und dann … ; solch eine Fabel habe ich nämlich weder jemals geschrieben noch gedacht. 

Nein, nein. Darum geht es nicht, wiedermal geht es nur um dich und mich… um uns. 

Und wieder bist du viel mehr ich als du… also geht’s wohl wieder nur um mich. Weil ich aber dann eben doch nur irgendjemand bin und dazu noch irgendjemand, der viel zu unterschiedliche Sachen in einen Suppentopf wirft, sodass ein Körnchen Salz nun wirklich nicht genügt, um dem Ganzen auch nur einen Hauch Geschmack zu verleihen, ist das alles ganz schrecklich unliterarisch und vollkommen, gänzlichst uninteressant für uns alle und am aller meisten für die Welt… so geschmacklos… es ist fast funktional. Aber auch darum wird es noch gehen. 

So hilft es alles nichts… ich fange an… und ich bin mir dankbar, dass ich wenigstens nicht mit irgendwelchen Liebesbekundungen und Gefühlsausbrüchen anfange. Das ist doch zumindest etwas. 

Dir… könnte ich das eh nie guten Gewissens sagen, denn was weiß ich schon, wer du eigentlich bist; mittlerweile könnte ich es wohl nie jemandem guten Gewissens sagen, weil sie für mich ja nun viel zu wenig sie und viel zu viel ich sind, um so etwas zu rechtfertigen. Und so bin ich froh, dass ich es auch nie getan habe und fange, (1) recht neutral, (2) sehr egozentrisch (also immer bei mindestens einem von den Ichs) und (3) so an: 

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Ich will dir von mir erzählen — denn ich muss mich erklären. 

Es geht mir besser. Viel besser. Ich will wiedermal ein paar Dinge vorwegnehmen, die so jemand wie du denken wird, dass ich bin. Deswegen dieser erste Satz: I am not an easy person. 

Sometimes I feel very depressed for no real reason. Das wird wohl so bleiben, aber ich glaube, ein paar der no real reasons, habe ich in den letzten Monate endlich begonnen hinzubiegen. Und so ist alles irgendwie doch besser. Weird… alles so verdammt weird… aber besser. 

There was luck involved, but there was a lot of I involved, too. So I still feel somewhat proud. Der Unterschied ist: I want to live my life again. Ich habe wieder Bock: Auf einen Großteil der Dinge, die ich gerade so treibe. Auf meine Masterarbeit: habe ich Bock. Die ist oft zwar anstrengend, aber im Großen und Ganzen gefällt mir das Thema und die Herausforderung sehr. Und: Das ist auch echt mal eine Herausforderung. 

Sowas hatte ich in meinem Studium noch nie: Dass ich mir echt mal selbst Gedanken machen soll. Hat es dafür jetzt echt mehr als vier Jahre gebraucht, dass man einem das einmal zutraut? Schon schade. 

Aber wenigstens ist jetzt so eine Herausforderung da und ich merke schon, wie die Zeit wieder zu schnell rumgeht. Gefühlt ist sie bald gemacht, dann wohl wieder nicht gut genug, dass ich echt zufrieden damit wäre, aber: dann ist sie gemacht, es war wenigstens ein gutes Projekt und dann muss ich mir was Neues suchen. Und erstmal habe ich ja Lust darauf. Aber dann ist da ja immerhin auch noch ein neues Studium und auch darauf habe ich Lust. 

Jetzt weiß ich zwar immer noch nicht sicher, wie sich das jetzt in der großen Lebensgeschichte lesen wird und ob ich mir sie (die große Karriere, die keine Karriere mehr werden soll) damit nicht zunichte mache. Es ist nicht in einen großen Zwanzig-, ja nicht mal einen Zehnjahresplan eingebettet, aber wenigstens will ich jetzt wieder etwas tun. Erstmal auch das Studium und ob ich das dann überhaupt beenden werde, werden wir sehen. 

Und weißt du? Ich würde keinem raten, es so zu machen, wie ich… echt nicht. Zum Beispiel weiß ich nämlich gar nicht, ob ich so immer der richtige Ansprechpartner bin, um herauszufinden, was ich eigentlich brauche. 

Aber trotzdem ist das jetzt ( — ein genervtes “mal wieder” mischt sich unters Volk, bekommt einen Klaps von einem noch nicht haupt- aber immermehrberuflich über den Massen wandelnden Seiltänzer versetzt, über seinen unpassenden Einsatz verlegen, verstummt es und nimmt sich zurück — ) … nochmal: trotzdem ist das jetzt zumindest mal das, wovon ich glaube, dass es für mich noch am ehesten richtig sein könnte. Und mein Ansprechpartner hat sich immerhin ehrlich bemüht ein wenig dazuzulernen, ehrliche Menschen um sich zu versammeln und auf sich zu hören. 

Obwohl ich also keinem dazu raten würde, will ich mich erklären. 

Erstmal finde ich: mit meinem Leben darf ich das machen… ist ja nur meins; und, wenn es am Ende schiefgeht, dann war das alles in meiner Verantwortung und ich muss mit den Konsequenzen leben. 

Die Idee ist erstmal Dinge zu tun, auf die ich mal zumindest ein paar Jahre Bock habe. Und solange ich mir noch genug Geld verdiene, um weiter an Dingen zu arbeiten, auf die ich Lust habe, denke ich, darf ich das auch. Nicht? 

Klar… für eben so eine “Karriere”, liest sich sowas nicht gut; klar… die verbaut man sich damit; klar … vielleicht ist es auch moralisch verwerflich: Könnte ich der Gesellschaft nicht mehr bringen, als funktionierendes 36 bis 100 Stunden Rädchen?; klar… in so einer richtigen kleinen Fabel, da ist das, die “Karriere”, die tapfer abgesessene Katze — Hallo Familie, Klassenkameraden, Mitmenschen — , der sich die Maus stellen muss, um sie entweder hinfortzujagen oder gefressen zu werden; klar… ist schon irgendwie Luxus: in meinem Alter, wo man doch noch so schön gewinnbringend hungrig sein sollte, zu sagen: ‘Ich komm’ mit weniger über die Runden. Also warum nicht mit weniger über die Runden kommen.’ 

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Aber weißt du was? So habe ich eben wenigstens wieder Bock auf Dinge und mir geht es besser. Ich mache mehr. 

Ich glaube, so kam’s dann auch, dass ich jetzt letztens immer mehr unter Leuten war, die ein bisschen anders sind. Ich war letztens sogar auf einer Party (Punkt.)… mit ganz vielen so Leuten, die ein bisschen… anders sind und, vielleicht, ein bisschen mehr so sind wie ich. 

… Ich glaube leider nicht, dass sie dir gefallen würden. … 

Aber: Was war das schön!, überall war peinliche Stille; Menschen, die nicht wussten, was sie sagen sollten, und wie wenig Smalltalk da war; immer nur Hin- und Hergespringe zwischen Gedankenschnipseln, die einen Berg an Ungesagtem in sich trugen und dem Sprecher dann im Nachhinein schon wieder irgendwie peinlich waren, sodass man dann lieber doch nicht weitersprach…, Gedankenschnipsel, bei denen den anderen dann nichts anderes übrig blieb als zu sagen: “Hmm… Yes.”; jedem war die Musik zu laut und niemand… nie-mand tanzte. 

Du siehst: das sind nicht gerade die Leute, die man so üblicherweise als cool ansieht. 

Wenige hatten Spaß und noch viel weniger zeigten, dass sie Spaß hatten. Das sind nicht die Leute, die versuchen… — ach… ich bin doch zu raus aus dem Game, um da jetzt gute Beispiele parat zu haben… — die versuchen… die halt irgendwann in einem glänzenden Porsche vorfahren. So Zeug halt. Nicht die Leute, die wissen: darum geht’s. 

Und ja, genau darum geht’s: Nein… ich werde nicht der Knight in shining Armour sein, der ich immer für dich sein wollte. Die Rüstung wird nicht glänzen. 

Und die Stimme in mir, die sagt, dass wir zwei ohnehin nicht zusammenpassen, wenn dir das so wichtig ist, hört sich selbst und dazu dann auch noch all die anderen Stimmen, die ahnen, wissen und immer wieder bestätigt bekommen, dass es doch genau diese Dinge sind, auf die so Menschen wie du, die schönen Menschen, wert legen; spätestens, wenn sie entdecken, dass sie schön sind. Aber… ich finde dich doch gut. Und du mich. … Von Anfang an. Schon immer. Was machen wir denn da? 

Ich kann dir sagen, was ich denn da mache… ich will dir diese Illusion von mir, die es vermutlich ohnehin nur in meinem Kopf gibt, nehmen, wenn ich versuche mich zu erklären: Yes, I am a very motivated person, you were right when you defended me and said: ‘That is because he is so ambitious!’… I am ambitious, but not in that way… anymore — that is… I don’t know: sadly? … not me. 

Die Illusion, dass ich dir mal irgendwann all das bieten können werde, was eine schöne Frau wie du zu schätzen wüsste; weil ich das (leider) einfach nicht bin und sogar, gesetzt des immer unwahrscheinlicher werdenden Falles, dass ich eines Tages mal das Geld hätte, dir all das zu ermöglichen, glaube ich nicht, dass ich es wollen würde; dass ich so leben wollen würde… weil ich so noch nicht einmal leben will, wenn ich es mir leisten könnte; weil ich das einfach nicht bin. Auch bei so einem Leben würde ich eingehen. 

Und ich hab es “dir”… haha… ja auch schon gesagt: 

Ich verstehe es nicht, wenn ich sehe, wie alle arbeiten und immer mehr arbeiten… auf einmal haben sie mehr Geld und kaufen sich mehr, weil das ist, was man tut, wenn man es sich leisten kann… 

Alle fangen etwas an, man wird besser und erledigt halt seine Arbeit, wenn man schon mal da ist, auch gut und, wenn man schon mal da ist, macht man das auch fertig — ist fleißig; wenn man schon mal besser wird, bleibt man auch dabei. 

Und hat man einmal damit angefangen, gewöhnt man sich schon dran; hat man sich einmal dran gewöhnt, ist es doch gar nicht mehr so schlimm; und wenn man dann ein gutes Angebot bekommt, sagt man ja auch nicht nein. 

Und sagt man ja auch nicht nein, gibt es immerhin goldene Schuppen und immer mehr goldene Schuppen als Belohnung; und so werden auch noch einige, von denen, die das gar nie wollten, hineingezogen — in ein Leben, wie man es macht, wie es sein soll, hineingezogen. Aber ich… ja ich! … will — »ich will!«— mein Leben nicht absitzen, wie man es macht; ich will noch selbst wollen. 

Und das ist alles nicht neu — natürlich nicht — aber es ist neu für mich, es zu erleben. 

Und ich merkte: ich glaubte auch falsch; ich glaubte — und das ist schon auch was man glauben lässt — : ‘die Leute, die “zu Geld kamen”, die hatten es gewollt und erreicht.’, aber: wie viele von ihnen waren da wohl hineingezogen worden? 

Denn, wenn dann schon mal mehr da war, war das ja spätestens das geworden, was man brauchte und warum dann nicht noch mehr wollen? Und, wenn man das schon einmal geschafft hat und darin bestätigt wird, warum dann nicht auch weiter machen und warum dann nicht immer so weiter machen und irgendwann zu sich und seinen Nächsten sagen: das ist richtig, das ist erfolgreich und gut. 

Wie viel weniger erfolgreich, sie dann auf einmal wirken. 

Und… da sind ja noch nicht einmal die — vielleicht noch traurigeren — Gestalten dabei, die es durchaus einmal wollten, gar unbedingt wollten, aber nie hinterfragten, welchem Gespenst sie da hinterherlaufen, von welcher Katze, ja von welchem Raubkatzen-Greifvogel-Reptilien-Wesen, sie getrieben werden, ohne ihm auch nur einmal in die Augen zu blicken. 

Irgendwann vor einem Leben stehen, von dem sie eigentlich enttäuscht sind. 

Foto von Zan auf Unsplash

Nur heute wiegt das zu schwer, um sich das noch einzugestehen. Und so ist der Bauch gefüllt, wenn man so will: die Haut geschuppt, ein kleiner Drache geboren, man ist zufrieden mit sich und man ist zufrieden mit einem.  

Aber war es nicht absehbar gewesen, dass es so kommen würde? Und wenn man es dann einmal so absieht, ist es dann nicht ziemlich schwach und traurig, es abzusitzen. Und wenn man es so absieht, ist es dann nicht erlaubt, nein zu sagen. Darf ich — auch wenn das nicht ist, wie man es macht… “es” … das Leben — nicht auch nein dazu sagen? Doch. Ich darf. 

Für mich ist es jetzt, obwohl das nicht ist, wie man es macht, die Entscheidung geworden, trotzdem so zu leben. 

Ich arbeite (1) lieber mehr und auch an den Wochenenden, an etwas, bei dem ich etwas von mir geben kann, das Gefühl habe etwas zu machen (im besten Fall auch noch zu lernen und zu wachsen) und meine Freiräume habe. Ich schreibe darüber, um zu wissen, warum ich das jetzt eigentlich so mache, um mich (auch mir oder zumindest mir) erklären zu können, oder noch besser: schreibe über etwas anderes, weil das für mich auch zu dieser Art der Arbeit gehört… und… arbeite (2) sonst gerade genug, um mein Leben zu leben — halte den Sog aber weiter auf Distanz, bleibe in den Rahmenbedingen und schaffe schützende Rahmenbedingungen, die mir das erweitert ermöglichen sollen. 

Und, klar, ich versuche auch bei dieser zweiten Art des Arbeitens meine Sache gut zu machen und, klar, versuche auch, dass ich dann irgendwann mit der ersten Art des Arbeitens auch ein Leben finanzieren kann; dass dabei dann auch mehr rumkommt als nur “genug, um ‘mein’ Leben zu leben”, aber dieses Leben ist nicht mehr primär darauf ausgerichtet, mal im Luxus leben zu können, sondern auf den Luxus so leben zu können. 

Und — halt, stop!, das muss ich noch loswerden — du sollst mir vollkommen zurecht vorwerfen, dass ich so nur ein ewiger Peter Pan bleiben werde. ‘Werd’ erwachsen!’, solltest auch du mir zurufen, mir vorwerfen, mich versuchen umzuwerfen, mich des Nächtens dazu bringen, mich in Betten hin- und herzuwerfen. Was hast du nicht schon in mir geweckt mit deinen Vorwürfen? 

Und so werfe ich mir das auch vor. Aber: ich will kein Peter Pan sein, will keiner werden. Ich will viel mehr eine Émilie du Châtelet sein — jemand, der noch dem begehrtesten, noch dem beneidetsten Leben entsagt, weil er glaubt so sein Leben zu verschwenden, sich gegen Vieles und für ein paar Dinge entscheidet. 

Ich finde, das macht meinen Punkt nun endlich einmal verständlich: dass ich noch wenn mir das begehrteste, das beneidetste Leben zur Verfügung stehen würde, trotzdem der Typ bleiben werde, der gerne liest und lernt, der sich dumme Fragen stellt und der eine gewisse Distanz zum Leben braucht, um sich als er selbst fühlen zu können (etwas, das ich übrigens nicht glaube, dass ein Lebemann viel tut — aber vielleicht tut er es ja und ich kenne ihn nur nicht gut genug); der nichts mit dieser Art von Parties, High Life und all den souveränen Gesprächen anfangen kann; der sich gegen dieses Leben entscheidet… so ein Typ werde ich bleiben und will ich sein, weil ich — das hast du richtig gesagt — ambitious bin. Und… 

A friend of mine, once told me, she thought, she has lost her spark. I will never forget this message. I am not sure, if she has found her spark again by now… it was years ago, but I think that the road I thought, I had to (and wanted to) go, would definitely kill mine. And I don’t want it to be killed. Really. I’m serious. I rather kill some of the things, I thought to be important to me, than to let it be sucked off from me. Because — you were right in seeing that in me — that part of mine… I think it is what you see as the ambitious part… — you were right — it is really important to me. But, thus (see… there is a “thus”… it is proven now), I will not be able to provide you with all these… things. 

Weil: Anstatt daran zu arbeiten, mehr Geld zu machen; und anstatt sogar, wenn ich die Möglichkeit hätte, so ein Leben zu leben, wie es dir gefallen würde, bin ich eher so der Typ, der es, obwohl er doch schon weiß, dass man (und auch er sich) danach an den Kopf fassen wird, mag so Dinge zu sagen wie: 

Weißt du? Manchmal ist das Leben schon wie eine Klassenfahrt, bei der man genau weiß, dass eigentlich alles nur darauf ausgelegt ist, dass du und genau du, daran zugrunde gehen sollst; mit so einem riesigen, geteerten Looping, der, wenn man dann versucht an ihm hinunterzurutschen, nur dafür gemacht ist, sich an ihm den Bauch aufzuratschen. Man steigt aus dem Bus und schon wartet dieser Looping auf einen. 

Aber weißt du, wenn man dann runterrutscht, dann ist es im Endeffekt gar nicht so schlimm, man landet im Meer und hat wieder eine Klassenfahrtsgeschichte zu erzählen.

Und ja: Ich bin ambitioniert, war es immer. Ich bin der erste, der auf der großen Klippe steht und in den Looping springt. Tatsache. Ich war — wissend, dass ich hier doch sterben sollte! — noch hochgesprintet. Tatsache. 

Natürlich war auch das wieder nur irgendein Traum, aber weißt du, auch über sowas rede ich gerne. Und du siehst ja auch, dass ich wenigstens gerne arbeite und soweit mir das mein Rahmen zulässt auch nicht unfassbar schlecht darin bin, aber ich nehme meine Zeit eben wohl auch zu wichtig, um ein wirklich guter Arbeitnehmer und jemand, der Karriere macht, sein zu können. Ich bin nicht gerade gut darin, mich mit Dingen und “dem Leben” abzufinden. 

Und irgendwann überholen mich die guten Arbeitnehmer in dieser Arbeit dann eben vollkommen zurecht, kennen sich besser aus, sind besser. 

Deswegen verstehe ich, wenn du am Ende jemanden haben wirst, der ein guter Arbeitnehmer war, für viele Jahre oder zumindest einen, der das sein wird, vielleicht sogar ein ambitionierter, der sich darauf dann — wohl zurecht — etwas einbilden kann; sich ein Leben im Luxus verdient hat und es genießen kann. Er hat es sich ja auch teuer erkauft. 

Oder… vielleicht noch wahrscheinlicher, zumindest jemanden, der dieses Leben genießen will und mit dir so ein begehrenswertes, beneidetes Leben genießen kann. Und… wenn es so einer wird, dann gibt es halt hin und wieder echte Probleme, aber wenigstens ist er jemand, der so ein Leben mit dir genießen kann und will. Und wenigstens habt ihr echt Probleme, die ihr lösen müsst. 


Ich mach’ solange hier weiter. 

Ich habe mittlerweile auch ein, zwei andere Dinge neu in meinem Leben und, was ich zuvor wichtiger und immer wichtiger genommen habe: das Schreiben, mache ich jetzt einfach zu einem Hobby. Und, ja, wenn ich nicht mal mehr da ambitioniert bin, dann fragst du mich vollkommen zurecht, wie ich trotzdem noch glauben — na! und sagen — kann, dass ich ambitioniert bin. Ich sag dir, wie: 

Weißt du, das Schreiben ist jetzt einfach eine Liebelei für mich, nicht mehr. Und vielleicht bin ich ja gut in solchen Dingen: Liebeleien. Denn, auch wenn es jetzt nur noch eine Liebelei ist, dann nehme ich mir jetzt trotzdem die Zeit für sie, weil ich dabei glaube, viel mehr gearbeitet zu haben, als wenn ich zehn Stunden in einem Stuhl saß und versuchte zu machen, was man mir zu tun gab. 

Und so setze ich die Erwartungen, was das Schreiben angeht… und wohl auch, was ziemlich viel dieses ‘Vieles’ im Leben angeht, runter. Ich muss jetzt, damit es sein darf, nicht mehr der Beste aller Zeiten werden oder zumindest einer der Großen. Ich versuche Sachen zu machen, die ich gut finde, und wenn dann auch noch was wirklich Gutes dabei rauskommt, freue ich mich natürlich umso mehr. Und letztens hatte ich dann sogar einmal ein ziemlich schönes Gefühl… es… hat sich richtig angefühlt und… ging ungefähr so: 

Er fragt sich: Ist das nicht genug?; sich umzusehen, zu beschreiben, was er sieht, und, nun, da wird das Gedankenmachen ohnehin nicht ausbleiben, nicht?

Doch, doch… das war genug. Jetzt verstand er es, dass es so genug sein konnte einfach nur in einem Café zu sitzen, wenn er sie nur dabei hatte; jetzt verstand er all die Großen, wie sie sich keine Gedanken machen mussten, ob es denn genug sein würde, ob sie denn genug waren; wie sie sich niemals hatten Gedanken darüber machen müssen, zu den Großen zu gehören. 

Piano.dave

Wenn es so, dann doch noch dazu führen würde, “zu den Großen zu gehören”… das wäre ja… so eine Ironie des Schicksals, nicht? Aber meine ganze Welt fragt sich natürlich auch: wer war sie, die da mit dabei war? Du? Irgendjemand anders? Wenn man jetzt alles fügen wollen würde, könnte man fragen: Eine einfache Hausmaus?, die schon lange da gewesen war, aber erst später auffällt?, die sich verändert, verwandelt und formt?, die sich einer großen geschuppten Katze stellt? … Gar irgendjemand? Oder nur (cum grano salis) eine unbestimmte Gewissheit, sein Leben zu leben? Wer auch immer es war… vielleicht musste man sich so keine Gedanken darüber machen, ob man “zu den Großen” gehörte. 

Naja… weil (vielleicht) so (das heißt: mit diesem neuen Ansatz) aber nun das Schreiben eben nur noch Liebelei ist und im Zweifel dann auch nur noch für mich ist und ich ganz so weit dann doch noch nicht bin, muss ich meinen Sinn und Wert jetzt eben doch in etwas anderem finden. 

Und da, denke ich, hilft es mir am ehesten noch die Dinge zu tun, auf die ich zumindest ein paar Jahre lang ehrlich Lust habe. (Im Lust haben bin ich doch eigentlich nie schlecht gewesen.) Die Masterarbeit, ein Philosophiestudium, den Versuch zu starten, Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen ich mit meinen Freiräumen arbeiten kann, Neues ausprobieren, mich besser kennenlernen, mein Leben in die eigene Hand nehmen… solche Dinge. Das sind die Projekte für die nächsten Monate und ein paar Jahre. Denn an solchen Dingen kann ich dann wenigstens mal richtig arbeiten. Und aus denen ergibt sich dann, denke ich, am ehesten auch etwas Richtiges; es ist am ehesten, wovon ich glaube, dass es richtig für mich ist. 

Und irgendwann werde ich sicher auch ein bisschen mehr für Geld machen, aber auch da sehe ich eben ein, zwei Möglichkeiten, wie sich das in einen guten Rahmen bringen lässt. 

Na und deswegen nun also die Entscheidungen der letzten Monate und deswegen nun auch ein paar weniger von all diesen schon immer dagewesenen und wohl auch immer daseinwerdenden no real reasons to feel depressed. Und deswegen geht’s mir nun auch ziemlich viel besser — echt gut, würde ich sagen. Aber ich würde das jetzt gerne anders beenden: mit schönen Wänden, die man in der Ferne sieht, würde ich es gerne beenden. Stattdessen wird es aber ein: 

Quod erat demonstrandum and even though you don’t want me to, I still say: Thank you. … Thank you. … Thank you for making me think. 

Na… das ist doch auch ganz schön. Ich mag das ja. Du vielleicht nicht… aber ich weiß ja ohnehin so gut wie nichts über dich und mich.